Das Pilger-Berg-Mißverständnis
Da dachte ich doch immer, ich wüßte was ein Berg ist. Doch um die Wahrheit über Berge zu erfahren, mußte ich ausziehen, um eine Pilgertour in Österreich zu erleben. Um die Sache mit den Bergen zu erklären, muß ich dann aber doch etwas zurückspulen.
Pilgern im Mostviertel in Niederösterreich
Vor einigen Monaten erhielt ich eine Einladung zum Pilgern im Mostviertel. Da ich gern wandere, doch natürlich als Norddeutsche nicht viel in den Bergen unterwegs bin, holte ich im ersten Schritt erst einmal Infos zum Mostviertel in Niederösterreich ein.
Das Mostviertel in Österreich ist in 10 unterschiedliche Regionen aufgeteilt:
- Moststraße – ca. 200 Kilometer lang
- Kulturpark Eisenstraße – wild-apline Bergwelt um sich auf eine Zeitreise zu begeben
- Naturpark Ötscher-Tormäuer – Naturpark rund um den rund 2.000 Meter hohen Ötscher (Vaterberg)
- St. Pölten – Barock und Jugendstil prägen das Stadtzentrum
- Traisental-Donauland – Weißweinanbaugegend
- Pielachtal – Bilderbuchlandschaft mit Dirndlfrüchten
- Traisen-Gölsental – Waldreiche Gegend; hier läuft der Via Sacra und der Wiener Wallfahrerweg entlang
- Dunkelsteinerwald – Grandiose Ausblicke auf das Donautal und das Alpenvorland
- Elsbeere-Wienerwald – hier grenzt das Mostviertel an den Wienerwald
- Melker Alpenvorland – Heimat des Renaissanceschloss Schallaburg
Das Mostviertel ist bekannt für schöne Wander- und Radtour-Routen. Vor einigen Jahren, als das Pilgern wieder populärer wurde, wurde auch der Pilgerweg Via Sacra und auch der Wiener Wallfahrerweg wiederbelebt. Auf der Route befinden sich viele Kraftplätze, Kirchen, Klöster, Heiligenfiguren etc. Der Weg führt über steinige Pfade, durch eine Schlucht, bergauf und bergab, lädt zu besinnlichen Momenten und wunderschönen Ausblicken ein. Zum Einkehren und Übernachten bieten sich zertifizierte Via Sacra-Gastgeber, mit einem guten Preis/Leistungsverhältnis, an.
2015 wird das Mostviertel Schauplatz für die Landesausstellung. Im Fokus stehen hier ganz besonders die „wilden“ Regionen des Mostviertels.
Via Sacra und Wiener Wallfahrerweg
Der Via Sacra und auch der Wiener Wallfahrerweg sind alte Pilgerpfade, die jetzt zu neuem Leben erwacht sind. Er führt von Wien, über Hinterbrühl, Heiligenkreuz, Hafnerberg, Kaumberg, Hainfeld, Rohrbach, St. Veit, Lilienfeld, Türnitz, die heilige(n) Familie/Berge (Annaberg, Joachimsberg, Josefsberg) und Mitternach nach Mariazell.
In der Beschreibung des Via Sacra wurde der Weg wie folgt beschrieben: „Überwiegend leichte Talwanderung mit vielen kunsthistorisch und volkskundlich interessanten Stationen. Wegen der zahlreichen Talorte mit ihren Nächtigungsmöglichkeiten leicht in 4 bis 5 mäßig anspruchsvollen Tagesetappen von rund 25 bis 30 Kilometern einzuteilen.“ Unsere Pilgertruppe wurde auf 4 Tageswanderungen eingeteilt.
Einem Nordlicht wie mir, wurde aus dieser Beschreibung nicht ganz klar, dass uns durchaus auch höhere Berge erwarten.
Hügel – drüber – rum – Berg: Deutsch-Österreichische Berg-Sprachbarriere
Bei meiner vorsichtigen Nachfrage, ob ich denn auch als Norddeutsche (mit viel Wander- und Lauferfahrung im eher flachen Land) das Pensum von rund 30 Kilometern pro Tag schaffen würde, wurde mir gesagt „natürlich“. Ich gab noch einmal die Sache mit den Bergen zu bedenken… doch hier wurde mir noch einmal versichert, wie es auch in der Beschreibung stand, dass der Weg eigentlich eher ebenerdig führen würde. Im Mostviertel gebe es tatsächlich nur wenig Berge und die die es gibt, würden wir gar nicht besteigen. Der Weg führt eher dran vorbei.
Liebe Landsleute, liebe Flachlandtiroler, liebe norddeutsche Menschen ohne große Bergwandererfahrung, hört auf meinen Rat. Ein Österreicher versteht unter einem Berg etwas anderes, als Menschen aus dem „flachen“ Land. Ein Berg beginnt dort erst ab 1.000 Höhenmetern. Alles was darunter liegt, zählt irgendwie anders, jedenfalls nicht als Berg und wird somit auch in landschaftlichen Beschreibungen nicht als Berg aufgeführt sondern z.B. als überwiegend leichte Talwanderung beschrieben. Weißt du Bescheid… 😉
Genau diese Erfahrung mußte ich dann bereits am ersten Pilgertag (bei einer Strecke von läppischen 32 Kilometern) machen. Es ging mehrmals hinauf und auch wieder steil hinunter… doch da die 1.000 Höhenmeter nicht erreicht wurden, war das eben kein Berg sondern nur „rum, rüber oder vorbei“ – wie ich so schön von unserer Pilgerbegleitung Ernst gelernt habe.
Die Berg-Diskussion begleitete uns (besonders mich und Mit-Pilger-Bloggerin Elena aus Österreich) dann natürlich auch weiterhin. Am dritten Pilgertag wanderten wir dann also auf über 1.000 Höhenmeter und somit war es dann tatsächlich der offiziell erste und einzige Berg auf der ganzen Tour.

Der Beweis – ein Berg… und wir haben ihn bezwungen… Vielen Dank an Hubert vom @travellerblog für das Beweisbild
Obwohl ich für norddeutsche Verhältnisse natürlich so einige Berge (Araberg, Annaberg, Joachimsberg, Josefsberg etc.) bezwungen habe. Was lernen wir daraus – nur weil Berg dahinter steht, muß es noch kein Berg sein und wer es nicht gewohnt ist Berge zu besteigen, der sollte sich pro Tag lieber kleinere Routen auf die Pilger-Fahne schreiben. Mein persönliches Tempo hätte bei 20 bis 25 Kilometern pro Tag gelegen. Damit hätte ich wohl rund 5 statt 4 Tage gebraucht. Doch ich kann euch beruhigen, meine Berg-Fitness wurde tatsächlich von Tag zu Tag besser und am letzten Tag bin ich fast wie eine Bergziege den Berg hinaufgehoppelt. 😉

Unser Ausblick zum Start am 4. Pilgertag – Im Hintergrund der „Ötscher“ (rund 2.000 Höhenmeter) den wir dann tatsächlich nicht mehr bepilgern mußten. 🙂
„Ich bedanke mich bei Mostviertel-Tourismus für die Einladung zum #BloggerPilgern und für diese bemerkenswerte Erfahrung. 😉 Solltet ihr mal jemanden aus Norddeutschland brauchen, um eure Landschaftsbeschreibung (für norddeutsche) Gäste zu aktualisieren, stehe ich gern zur Verfügung. ;-)“
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Weitere Berichte zum #BloggerPilgern auf dem Via Sacra:
- Gedanken zum Pilgern
- Unser Route – #BloggerPilgern auf dem Via Sacra
- Eine Nacht im Kloster-Stift auf dem Via Sacra
Erschienen in: Europa, Österreich
#BloggerPilgern auf dem Via Sacra in Niederösterreich am 7. Juli 2014 um 11:59 Uhr
[…] Pilger-Berg-Mißverständnis oder warum es theoretisch in Norddeutschland auch Berge […]